An diesem Punkt des bunten Treibens erleichtert uns ein Stammbaum, die labyrinthische LOGIK hinter dem URMYTHOS überhaupt noch nachzuvollziehen:

Allerdings stellt sich jetzt eine ganz andere Frage für einen Mensch unserer postmodernen (vermeintlich mythenfreien) Gegenwart: WAS SOLL DIESE GESCHICHTE EIGENTLICH??? Eine einfache, kurze und schnelle Antwort darauf entpuppte sich bei meinen Recherchen schon bald als unmöglich, denn der symbolische Gehalt der Figuren erstreckt sich über so viele miteinander verzahnte Fachgebiete, daß ich nur noch den Sprung nach vorne über meine Materialsammlung hinaus wagen kann, um dem vor Neugier platzenden Leser eine Ahnung davon zu vermitteln, wie sehr unser alltägliches SEELENLEBEN noch immer geschichtlich beeinflusst ist von diesen Kraftfeldern der psychischen Urelemente: Athene, Uranos, Kronos, Chaos und Gaia wähle ich hiermit als Ausgangspunkt aus, um mich an ihnen nur beispielhaft durch verschiedene Disziplinen entlang zu hangeln, die mit subtilen Details beleuchten, an welche zivilisatorischen Bewußtseinsereignisse diese Götternamen erinnern - und sich erinnern meint jetzt: alle URERINNERUNGEN zu wecken, die in Büchern und Bildern gespeichert sind...


"Der Ursprung ist immer gegenwärtig. Er ist kein Anfang, denn aller Anfang ist zeitgebunden. Und die Gegenwart ist nicht das bloße Jetzt, das Heute oder der Augenblick. Sie ist nicht ein Zeitteil, sondern eine ganzheitliche Leistung, und damit auch immer ursprünglich. Wer es vermag, Ursprung und Gegenwart als Ganzheit zu Wirkung und Wirklichkeit zu bringen, sie zu konkretisieren, der überwindet Anfang und Ende und die bloß heutige Zeit."

"War die archaische Struktur der Ausdruck der nulldimensionalen Identität und der ursprünglichen Ganzheit, war die magische der Ausdruck der eindimensionalen Unität und naturverwobenen Einheit - so ist die mythische Struktur Ausdruck der zweidimensionalen Polarität. (...) Die mythische Struktur nun führt zu einer Bewußtwerdung der Seele, also der Innenwelt. Ihr Symbol ist der Kreis, der stets auch Symbol der Seele war. Der geeinzelte Punkt der magischen Struktur erweitert sich zu dem zweidimensionalen, die Fläche einschließenden Ring. (...) In diesem naturhaften Zeitcharakter des Kreises, in ihm begegnen wir der Verwandtschaft der Zeit mit der Seele wieder. Und mehr noch: war das 'Resultat' der magischen Struktur die Bewußtwerdung der irdischen Natur, also vornehmlich der Erde, so bringt die mythische den Gegenpol der Erde, nämlich die Sonne und den Himmel, zum Bewußtsein. Damit wird die im magischen Kampfe angeeignete Erde gleichsam umfangen von den beiden polaren seelischen Wirklichkeiten: von dem untererdhaften Hades und dem über-erdhaften Olymp. (...) Mythos: das ist ein Schließen von Mund und Augen; und da es damit ein schweigendes Nach-Innen-Sehen (und ein Nach-Innen-Hören) ist, ist es ein Ansichtigwerden der Seele, die gesehen, darstellt, die gehört, hörbar gemacht werden kann. Und Mythos: das ist dies Darstellen, dies Hörbar-Machen; es ist: die Aussage, der Bericht und - wieder stoßen wir hier auf das bewußtseinandeutende 'Richten' - über das Erblickte und Gehörte. Was das eine Mal stummes Bild war, ist das andere Mal tönendes Wort; das Innen-Erschaute und gleichsam Erträumte findet seine polare Entsprechung und Bewußtwerdung in der dichterisch gestalteten Aussage. So ist das Wort stets Spiegel des Schweigens; so ist der Mythos Spiegel der Seele. Erst die blinde Seele ermöglicht die sehende. Und da alles Seelische vor allem auch Spiegelcharakter hat, trägt es nicht nur naturhaften Zeitcharakter, sondern ist stets auf den Himmel bezogen; die Seele ist ein Spiegel des Himmels - und der Hölle. (...) Denn ob Sonne oder Wasser, Stein oder Luft: die Seele und das Leben binden diese Polaritäten ineinander, und im mythischen Bericht wird einmal dieser, einmal jener Aspekt sichtbar und enthülllt in der verschwiegenen Komponente, auf der uns unsichtbaren Rückfläche des Spiegels, jeweils den ihn polar ergänzenden Aspekt. (...) Das Erwachen und die Fähigkeit, das Dunkle zu sehen, wurden in einem festumrissenen Mythologem gleichsam vorausgeträumt und sichtbar: in dem Mythologem von der Geburt der Athene. Athene entspringt - es war ein Sprung, eine Mutation - dem Haupte des Zeus; sie ist das Bild des Gedankens, des bewußten Denkens, das auch die dunklen Zusammenhänge, auch die in der Nacht liegenden Wirklichkeiten zu sehen vermag: denn Athene ist eulenäugig; ihr Attribut ist die Eule, der Vogel - und als Vogel ist die Eule ein Polaritäts-Symbol der Seele -, der auch im Dunklen sieht, dem die Nacht Tag ist. Und Athen wird es sein, in dem die ersten abendländischen Menschen völlig zum wirklichen Denken erwachen; Athener werden es sein, deren Stimme unsere Welt bestimmen, deren Denken unsere Zeit fixieren, deren Weitblick unserer mentalen perspektivischen Welt Gestalt und Gesicht geben wird: Sokrates, Euklid, Platon, Aristoteles. (...) Es dürfte vielleicht gut sein, einer Wirklichkeit eingedenk zu bleiben: zwar schloß sich die Wunde im Haupte des Zeus, aber es war da einst eine Wunde. Immer reißt jeder 'neue' Gedanke Wunden auf. Der unendlichen Schmerzen - und seien diese, da das 'unendlich' ihre seelische Betontheit hervorhebt, auch nur irrationale, seelische Schmerzen -, ihrer sollte man nicht vergessen, wenn man des mythischen Menschen und seiner Leistung gedenkt. Und jeder, der nicht nur die Erde, sondern auch das Leben würdig bestehen will, der das Leben leben will, statt von ihm gelebt zu werden, muß einmal durch diese Schmerzen der Bewußtwerdung gehen. (...) In dem Moment, da das Polaritätsphänomen auftaucht, entsteht das Sich-Ergänzende. Und das ist: Tag und Nacht, Helle und Dunkelheit, Himmel und Erde, Säule und Höhle. Am Athene-Mythos haben wir gesehen, daß diese Art der Spätmythen schon nicht mehr reine Träume sind, sondern bereits eine Art von Erwachens-Träumen, in denen das mentale Weltbild vorausgeträumt wird. (...) Wenn wir von der Zeithaftigkeit der mythischen Struktur sprechen [meine Anm.: im Gegensatz zur sogenannten 'Zeitfreiheit' der zeitgenössischen integralen Struktur], dürfen wir ihre noch andauernde Raumlosigkeit nicht unbeachtet lassen. Aus der ununterschiedenen Helle und Dunkelheit wird der Mensch jener Kräfte ansichtig, die sich langsam aus der Bewegung herauslösen und zu bewegten Urbildern werden; diese Urbilder spiegeln die inneren und damit dunkelen und ungreifbaren Kräfte des Menschen, die man die seelischen Kräfte nennt. (...) Es ist ein raumloser oder doch raumferner flächenhafter Grund, auf dem sich dieser Prozeß abspielt. Er ist raumlos, wie die Nacht raumlos ist, die keine räumliche Tiefe, sondern nur flächige zweidimensionale Dunkelheit kennt. (...) das Kronos-Mythologem ist nicht nur Ausdruck der mythischen Zeithaftigkeit, sondern enthält keimhaft bereits die mythisierend vorausgeträumte Vorform des BEGRIFFES Zeit. Das Wesentliche aber ist, daß es uns ein Bild des Zeithaften vermittelt, das nicht mit unserem heutigen Begriff Zeit verwechselt werden darf. Die früheste Überlieferung des Kronos-Mythologems verdanken wir dem bereits utilitaristischen Hesiod. (...) Der mythische Bericht von Kronos läßt seine Nachtbezogenheit erkennen. Es schildert sich in ihm nicht nur das Wesen der Zeithaftigkeit, die erzeugt und vernichtet (kenntlich gemacht im Verschlingen und Wiederausspeien seiner Kinder), sondern vor allem handelt er im nächtlichen Bereich, über den der Mond gebietet, der sich desgleichen mehrt, wenn er zunimmt, sich um die Mehrung vermindert, wenn er abnimmt. Dieses Moment der Bewegung und die weiteren Momente: daß er aus der mythischen Polarität von Himmel und Erde hervorging, daß er den Impuls der Zeithaftigkeit durch Metis empfing, deren Trank aus dem Verschlingenden einen Gebenden macht (der zudem das Leben bewahrt, denn die ausgespienen Kinder leben), - all diese Momente stellen Kronos in die Konfiguration jener erwachenden Zeithaftigkeit, die sich in seinen Taten und Leiden schildert. Hier wird die mythische Polarität sichtbar, welche die Seele weckt; oder, wie man es auch ausdrücken kann: HIER ERWACHT DIE SEELE, deren Bewegung kreisschließend ist, und damit erhält die Polarität Wirkcharakter. (...) Damit hätten wir aus dem mythischen Beispiel den Charakter dessen abgelesen, was 'mythische Zeit' ist: nämlich das immerwährende Sich-Erfüllen des Kreises, der ja von sich aus Symbol der Seele ist."
Jean Gebser: "Ursprung und Gegenwart" (1949-1953)


Eine solche tiefenzivilisatorische Symbolinterpretation weckt einen gigantischen Schlund an Bildergeschichten, die uns architektonisch und museal so vertraut sind, daß wir nie großartig über ihre Herkunft und Bedeutung nachdachten! (...)


 

"Am Dienstag, den 13. März [1781], zwischen 10 und 11 Uhr abends, als ich die kleinen Sterne in der Nachbarschaft von H Geminorum [Zwillinge] untersuchte, bemerkte ich einen, der deutlich größer als die übrigen erschien. Beeindruckt von seiner ungewöhnliche[n] Größe verglich ich ihn mit H Geminorum und dem kleinen Stern im Viereck zwischen dem Fuhrmann und den Zwillingen und da er umso vieles größer als diese war, vermutete ich, daß er ein Komet sei. (...) Die Stärke, die ich gerade gebrauchte, als ich den Kometen erstmals sah, war 227fach. (...) Zudem erschien der Komet, der schon weit stärker vergrößert war, als sein Licht eigentlich erlaubte, bei dieser großen Kraft [460 und 932] verschwommen und undeutlich, wohingegen die Sterne ihren Glanz und ihre Schärfe behielten, die sie, wie ich aus vielen tausend Beobachtungen wußte, bewahren würden. Im folgenden hat sich gezeigt, daß meine Vermutung wohl gegründet war, es erwies sich, daß das, was wir kürzlich beobachtet hatten, ein Komet ist."
Friedrich Wilhelm Herschel:

"Bericht über einen Kometen - die Entdeckung des Uranus" (1781)

 

"Himmel und Erde waren geschaffen; das Meer wogte in seinen Ufern, und die Fische spielten darin; in den Lüften sangen beflügelt die Vögel; der Erdboden wimmelte von Tieren. Aber noch fehlte es an dem Geschöpfe, das fähig war, die Erdenwelt zu beherrschen. Da betrat der kluge Prometheus die Erde. Er war ein Sprößling des alten Göttergeschlechts, das von Zeus entthront worden war, ein Sohn des erdgeborenen Uranussohnes Japetus. Dieser wußte wohl, daß im Erdboden der Same des Himmels schlummere; darum nahm er vom Ton, befeuchtete ihn mit dem Wasser des Flusses und formte daraus ein Gebilde nach dem Ebenbilde der Götter, der Herren der Welt. Diesen seinen Erdenkloß zu beleben, entlehnte er allenthalben von den Tierseelen gute und böse Eigenschaften und schloß sie in die Brust des Menschen ein. Unter den Himmlischen hatte er eine Freundin, Athene, die Göttin der Weisheit. Diese bewunderte die Schöpfung des Titanensohnes und blies dem halbbeseelten Bilde den Atem ein. So entstanden die ersten Menschen und füllten bald vervielfältigt die Erde. Lange aber wußten sie nicht, wie sie sich ihrer edlen Glieder und des empfangenen Götterfunkens erfreuen sollten. Sehend sahen sie umsonst, hörten hörend nicht; wie Traumgestalten liefen sie umher und wußten sich der Welt nicht zu bedienen. (...) Unter der Erde, in sonnenlosen Höhlen, wimmelte es von ihnen wie von beweglichen Ameisen: (...) planlos war alles, was sie verrichteten. Da nahm sich Prometheus seiner Geschöpfe an: (...) er erfand ihnen die Kunst zu erzählen, die Buchstabenschrift; (...) zeigte ihnen die Mischung milder Heilmittel, allerlei Krankheiten damit zu vertreiben. (...) Im Himmel herrschte mit seinen Kindern seit kurzem Zeus, der seinen Vater Kronos entthront und das alte Göttergeschlecht, von welchem auch Prometheus abstammte, gestürzt hatte. Jetzt wurden die neuen Götter aufmerksam auf das eben entstandene Menschenvolk. Sie verlangten Verehrung von ihm für den Schutz, welchen sie ihm gewähren wollten."
Gustav Schwab: "DIE SCHÖNSTEN SAGEN

DES KLASSISCHEN ALTERTUMS" (1838–1840)

 

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